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Gedenken

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Initiative Dessauer Ufer

Das Lagerhaus G ist 24.000 m² groß. Es ist ein ehemaliges KZ-Außenlager. Der Boden, auf dem es steht, gehört der Stadt. Aber das Gebäude befindet sich in privatwirtschaftlichem Besitz. Wie soll an die Geschichte dieses Ortes erinnert werden und was geschieht mit dem riesigen Haus in exponierter Lage?

Seit 2017 kämpft die Initiative Dessauer Ufer aus Hamburg für einen Gedenkort im Lagerhaus G. Bis heute erinnert kaum etwas an das Leid der vielen Menschen, die dort untergebracht waren und Zwangsarbeit leisten mussten. Ehrenamtlich setzen sich Historiker:innen, Architekt:innen, Filmemacher:innen, Stadtplaner:innen und Guides dafür ein, dass die Geschichte des Hauses erforscht wird. Die Geschichte soll bewahrt und erzählt werden. Sie gehört zu Hamburg.

Die Initiative organisiert Touren, Ausstellungen, Diskussionen rund um und über das Haus. Sie fragen ehemals Inhaftierte und ihre Angehörigen, wie an die Opfer erinnert werden soll. Der Ort soll öffentlich zugänglich und nutzbar sein, auch für die direkte Nachbarschaft. ‘Was kann Stadt sein und welche Rolle kann Erinnerungskultur in der Stadt der Zukunft spielen?’

  • Es gibt viel zu tun! Willst Du mitmachen? Schau’ hier vorbei und nimm Kontakt mit der Initiative Dessauer Ufer auf!

Das Lagerhaus G soll für Menschen zugänglich sein, die den Ort erforschen und die Geschichten bewahren.

Markus Fiedler (Initiative Dessauer Ufer)

Das Lagerhaus G

Ehemaliges KZ-Außenlager im Hamburger Freihafen

In den Jahren 1944-1945 wird das Lagerhaus G im Hamburger Freihafen als KZ-Außenlager für das KZ Neuengamme genutzt. 1903 wurde das Gebäude gebaut. Es diente als Speicher für Waren aus der ganzen Welt. Doch ab 1944 inhaftiert die SS hier Menschen aus verschiedenen Konzentrationslagern. Sie müssen Zwangsarbeit leisten.

Etwa 3.500 gefangene Menschen aus NS-Konzentrationslagern sowie italienische Militärinternierte und weitere Kriegsgefangene werden hier eingesperrt. Sie müssen unter menschenunwürdigsten Bedingungen im Hamburger Hafen Zwangsarbeit leisten.

Bis heute lassen sich Spuren von Inhaftierten im Lagerhaus G finden. Ein Löffel wird entdeckt. Er ist im Mauerwerk versteckt. Der Locher gehörte wahrscheinlich einer Wachperson. Das Haus und die Objekte erzählen von Menschen. Wenn sie niemand bewahrt, verrotten sie. Damit verlieren wir auch ein Stück unserer Geschichte.

„Du brauchst einen Löffel, um zu überleben. Da stecken so viele Kulturtechniken drin, also auch Überlebenstechniken.“

Markus Fiedler (Initiative Dessauer Ufer)
  • Du willst mehr über das Lagerhaus G erfahren? Schau Dir den Trailer zum Film an. Wir zeigen den Film Lagerhaus G von Markus Fiedler in unserem Rahmenprogramm!

Initiative Gedenkort KZ Uckermark

Die Initiative arbeitet seit 1997 auf dem Gelände des ehemaligen Jugend-KZs. Gemeinsam mit den Überlebenden und ihren Familien rettet sie das Erlebte vor dem Vergessen. Eine Ausstellung macht die Namen und Gesichter der Frauen, die dort gefangen waren, wieder sichtbar. Auch Stanka war hier inhaftiert.

Jugendämter, „Fürsorgebehörden“ und Kriminalpolizei können im NS Mädchen und junge Frauen willkürlich in das Jugend-KZ einweisen. Die Frauen werden abgewertet und eingesperrt. Auch nach 1945 werden sie ausgegrenzt und es wird behauptet, dass sie „verwahrlost“, „asozial“ oder „unerziehbar“ seien. Viel zu lange wird das Jugend-KZ Uckermark in Deutschland nicht als Konzentrationslager anerkannt. Viele Frauen trauen sich bis heute nicht, über das Erlebte zu sprechen.

2005 veranstaltet die Initiative die erste öffentliche Gedenkfeier auf dem Gelände. In Bau- und Begegnungscamps mit den Betroffenen wird die Gedenkstätte stets weiterentwickelt. Wir fragen: Wie wünscht ihr euch einen Gedenkort. Was wollt ihr, was wollt ihr nicht?. Offenes Gedenken heißt: Du kannst selbst Verantwortung übernehmen und aktiv werden. Im Mittelpunkt stehen die Erzählungen der Überlebenden, nicht die der Historiker:innen.

  • Mach mit! Willst Du die Initiative solidarisch unterstützen, einen Rundgang oder Workshop organisieren und das Wissen weitertragen? Dann setze Dich mit ihr in Verbindung.

Wir haben keinen Anspruch auf das Gelände oder auf die Geschichten der Menschen. Die Überlebenden stehen im Mittelpunkt.

Mitglieder der Initiative für einen Gedenkort ehemaliges KZ Uckermark e. V.

Das Jugend-Konzentrationslager Uckermark

Ab 1942 befindet sich in der Nähe von Fürstenberg an der Havel und dem Frauenkonzentrationslager Ravensbrück das Jugend-KZ Uckermark. Bis 1945 werden hier ca. 1.200 Mädchen und junge Frauen im Alter zwischen 14 und 21 Jahren inhaftiert.

Sie werden gequält, misshandelt und müssen Zwangsarbeit leisten. Im Dezember 1944 wird ein Teil des Lagers zum Vernichtungslager umfunktioniert. Bis April 1945 werden dort ca. 5.000 Frauen ermordet.

Die Diskriminierung der Opfer begann vor 1933 und geht nach 1945 weiter. Die KZ-Lagerleiterin ist nach 1945 weiter in leitender Funktion bei der Kriminalpolizei tätig. Bis in die 1980er-Jahre hinein wird das Leiden der Opfer des KZs Uckermark nicht anerkannt.

  • Maria Potrzeba wurde als 14-Jährige in das KZ Uckermark verschleppt. Den Trailer zu ihrem Film Dass das heute noch immer so ist – Kontinuitäten der Ausgrenzung kannst Du Dir hier anschauen. Den ganzen Film zeigen wir im Rahmenprogramm der Ausstellung!

Es ist ein verleugnetes Lager.

Jaka Smerkolj Simoneti

Jaka ist Stankas Enkel. Er lebt auch in Ljubljana.

Jaka ist Dramaturg und Regisseur. Am Wochenende trifft er sich häufig mit seiner Schwester und seiner Mutter bei Stanka zum Mittagessen.

Stanka erzählt dann die Geschichte von Inge immer und immer wieder. Wie Inge aus dem KZ fliehen will und von den Wachhunden fast totgebissen wird. 
2016 ist Jaka 18 Jahre alt. Er ist zum ersten Mal am Gedenkort in der Uckermark. Jaka ist nur ein paar Jahre älter als Stanka damals. Im Museum der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück sieht er Fotos von seiner Großmutter aus einer anderen Zeit. ‚In meiner Vorstellung ist in dieser Zeit ihres Lebens alles in ständiges Grau gehüllt. Farben machen das Ganze noch unerträglicher.‘ Jaka fragt sich oft, ob auch er ein anderer geworden wäre, wenn seine Großmutter ihre Geschichte nicht mit ihm geteilt hätte.

Wahrscheinlich sind wir beide andere geworden, als wir es sonst geworden wären.“

Jaka Simoneti

Ein leerer Teller
Jaka Smerkolj Simoneti

Stanka Krajnc Simoneti

Geboren 1928

Stanka ist 13 Jahre alt, als die Nazis 1941 Slowenien besetzen. Sie schließt sich dem Widerstand an. 1944 wird sie festgenommen und in das Jugend-KZ Uckermark für Mädchen und junge Frauen verschleppt.

Mit Inge aus Innsbruck versteht sich Stanka am besten. Inge sagt: ‚Weißt Du was? Ich werde ausbrechen!‘ Stanka fragt: ‚Bist Du verrückt?‘ Doch Inge lässt sich nicht abbringen. Sie wird von Hunden zerfetzt. Die Wachmänner schleifen Inge halb tot auf den Appellplatz. Stanka sieht sie nie wieder. 

Stanka überlebt den Hunger, die Gewalt, die Krankheiten und die Kälte. Es ist April 1945, Stanka ist 17 Jahre alt. Der Krieg ist vorbei. Kurz nach ihrer Befreiung schreibt Stanka die Kurzgeschichte Sončni Žarki, das bedeutet Sonnenstrahlen. Die Geschichte wird in einer slowenischen Zeitschrift veröffentlicht. Stanka wird Ärztin und lebt noch heute in Ljubljana.

Wahrscheinlich sind wir durch diese schweren Zeiten deformiert worden.

Stanka Simoneti

Soncni Žarki (Sonnenstrahlen)
Stanka Krajnc Simoneti

Anja-Susann und Tom-Henri Schröder

Anja findet den Namen ihrer Urgroßmutter auf einer Deportationsliste und lüftet damit ein lang gehütetes Familiengeheimnis.

Anja weiß es schon immer: Irgendetwas stimmt nicht. Immer dieses Gefühl, ich gehöre nicht dazu, ich bin falsch, ich bin schuldig. Irgendwas wird mir nicht gesagt. Es gibt ein böses Geheimnis.

Als Kind hört sie Verwandte sagen: Die Uroma war im KZ. Warum war sie im KZ? Das darf Anja nicht fragen. Es ist ein Tabu. Ich glaube, dieses Verdrängen dieser Vergangenheit und dass man sich nicht damit auseinandersetzt, das macht was mit einem.

„In dem Moment ist Geschichte persönlich geworden.“

Tom-Henri Schröder

Als Erwachsene macht sie sich auf die Suche. Sie liest alle Deportationslisten Hamburgs. So viele Namen! Auf der vorletzten Liste findet sie ihn: Lina! Anja lüftet das Geheimnis: Ihre Urgroßmutter war jüdisch und Anjas ebenfalls jüdische Großmutter konvertierte zum Christentum, um sich zu schützen. Anjas Vater hat wahrscheinlich nie erfahren, dass er jüdisch war. 

Nach und nach legt Anja gemeinsam mit ihren Söhnen einen weit verzweigten Stammbaum frei. Ihr Sohn Tom dreht einen Film über seine Familiengeschichte: Aus einem Namen wurden dann ganz viele. Anja beginnt, Stolpersteine zu verlegen. Für jede von den Nazis ermordete verwandte Person. 2023 sind es bereits 11 Stolpersteine und es werden noch mehr. Es kann keiner mehr behaupten, die haben da nicht gelebt.

  • Schau Dir an, was Anja und Tom miteinander besprechen.
  • Tom deckt in seinem Film die Geschichte seiner Vorfahr:innen auf.

Ein inneres Gefühl, da fehlt was.“

Anja-Susann Schröder

Frag mal nach!

Vergangenheit

„Ich bin aufgewachsen, nicht bloß mit den Erzählungen der Familiengeschichte, sondern ganz einfach mit der Geschichte des Holocausts.“

Ursula Rössner

Mehr als die Hälfte der Deutschen sprechen in ihrer Familie nicht über den Nationalsozialismus. Und 53% der Menschen in Deutschland finden, dass die Deutschen einen Schlussstrich unter den Nationalsozialismus ziehen sollten. Quelle: Die Zeit

Frag mal nach!

Wo haben Familienmitglieder während der NS-Zeit gelebt und was haben sie gemacht? Gibt es Bilder, Briefe oder Dokumente von früher? Was erkennst Du? Erforsche sie.

Gegenwart

„In meiner Familie war niemand ein:e NS-Täter:in.“ Kennst Du diesen Satz?

Das glauben 62,4% der deutschen Jugendlichen und 65,4% der gesamten deutschen Bevölkerung. Quelle: MEMO Studie III (Allgemeine Bevölkerung), 2020 und MEMO (Jugendstudie), 2023

Frag mal nach!

Wen haben Mitglieder Deiner Familie während der NS-Zeit gewählt? Haben Familienmitglieder Menschen gesehen, die unterdrückt, ausgegrenzt oder zur Zwangsarbeit gezwungen wurden?

Vergangenheit

„Das kennst Du vielleicht auch, wenn Du als Kind das Gefühl hast, danach fragt man nicht. Das ist so ein unausgesprochenes Gesetz.“

Anja-Susann Schröder

98,4% der Menschen erfahren über den Nationalsozialismus in der Schule. (Quelle: Deutsche Welle) Viele Menschen in Deutschland trauen sich nicht, nach der Familiengeschichte im NS zu fragen. Es ist ein Tabuthema.

Frag mal nach!

Gibt es in Deiner Familie ein Geheimnis, ein Thema, über das nicht gesprochen wird? Wen in Deiner Familie könntest Du darauf ansprechen? Kennen Deine Großeltern das auch? Ein Thema, das man als junger Mensch in der Familie nicht ansprechen darf, obwohl man mehr erfahren möchte? Wie haben sie sich dabei gefühlt?

Zukunft

„Wenn Geschichte persönlich wird, dann werden die Ereignisse auch persönlich und dann versteht man sie auch anders.“

Tom-Henri Schröder

Welches Ereignis aus der NS-Zeit betrifft oder berührt Dich persönlich?

Gibt es Ereignisse aus der NS-Zeit, an die zu wenig erinnert wird?

Glaubst Du, dass die Zeit des Nationalsozialismus Dein Leben beeinflusst hat oder bis heute noch Auswirkungen hat?

Gegenwart

„Meine Familie hat verfolgten und bedrohten Menschen im NS geholfen.“ Hast Du sowas auch schon mal gehört?

Das glauben 15,6% der Jugendlichen und insgesamt 32,1% der gesamten Bevölkerung in Deutschland. Dabei waren schätzungsweise nur 20.000–200.000 Menschen während des NS im Widerstand tätig. Das sind im besten Fall 0,3%. Quelle: Die Zeit

Frag mal nach!

Widerstand und Hilfe kann sehr vielfältig aussehen. Wo und wie genau haben Familienmitglieder Menschen, die verfolgt wurden, geholfen? Kannte Deine Familie Menschen, die im NS verfolgt wurden? Hat Deine Familie diese Menschen unterstützt und wenn ja, wie?

Zukunft

„Man träumt sich manchmal an einen anderen Ort und schöpft daraus Hoffnung.“

Oleg

Wohin träumst Du Dich manchmal?

Was wünscht Du Dir für die Zukunft?

Wie sieht die Gesellschaft aus, in der Du leben möchtest?

Estera erklärt