Kultur ist Teil vom Leben

Leben

Zurück zur Startseite

Leben

Ursula Rössner

Ursula ist Künstlerin. Sie erbt Objekte und Emotionen und verwandelt sie in Kunst!

Großmutter Margarete ist für Ursula ein Hafen der Ruhe. Margarete wurde als Kommunistin im Nationalsozialismus verfolgt. Sie lebt umgeben von Familiengeschichte, mit kostbaren geretteten Gegenständen der jüdischen Familie ihres verstorbenen Ehemannes. Diese Geschichten und Objekte hat Ursula von ihrer Großmutter geerbt.

Mutter Eva fühlt sich oft schuldig. Ursula kennt das Gefühl der Schuld auch. Wo kommt das her? Die Wissenschaft nennt das ‚Vererbtes Trauma‘. Selbst wenn uns niemand davon erzählt, können wir emotionale Schmerzen erben. Wenn Ursula glücklich ist, fühlt sie sich immer irgendwie schuldig. Sie lebt, aber ein Teil ihrer Familie wurde im Nationalsozialismus ermordet. 

Eva Jakob mit Vase, 1927. © Stadtarchiv Nürnberg: (StadtAN E 10/212 Nr. 14-7)

In Ursulas Kunstwerken steckt Familiengeschichte. Ihre Gefühle und Gedanken zeichnet und schreibt sie auf Hölzer, um sie zu verarbeiten. So werden sie sichtbar und Teil ihrer Kunstinstallation. Auch in Ursulas Gemälden kannst Du Erbstücke der Großmutter wiederentdecken. Ursula möchte für diese besonderen Dinge einen sicheren Ort finden. Es soll nichts vergessen werden.

  • In diesem Video erzählt Dir Ursula ihre Geschichte. Und sie sagt Dir, was es mit ihrem Kunstwerk auf sich hat!

Ich bin mit den Gegenständen aufgewachsen. Sie sind so selbstverständlich Teil meines Lebens, dass ich mir nicht vorstellen kann, dass sie irgendwann plötzlich weg sind, in einem Container landen und verschwinden.

Ursula Rössner
Familie Jakob: Margarete und Walter mit Tochter Eva auf den Schultern bei einem Spaziergang, ca. 1929. © Stadtarchiv Nürnberg: (StadtAN E 10/212 Nr. 3-13)

Eva, Margarete & Walter Jakob

Eva (1926-2020), Margarete (1907-1994) und Walter (1904-1942)

Walter und Margarete Jakob lernen sich in einer linken Jugendgruppe in Franken kennen. Walter ist jüdisch, Margarete katholisch. Beide treten aus ihren jeweiligen Religionsgemeinschaften aus. Sie heiraten 1926. Kurz darauf kommt Eva zur Welt.

1933

Karfreitag: Eva ist 6 Jahre alt. Als KPD-Mitglieder sind Evas Eltern für die Nazis Staatsfeinde. Ihr Vater taucht unter, um nicht inhaftiert zu werden. Ostern trifft sich die Familie heimlich auf dem Land. 

Ostersonntag: Die Großeltern kommen auch dazu. Sie bringen schlechte Nachrichten. Zuhause in Nürnberg sucht die Gestapo nach Evas Vater. Schnell wird ein Plan geschmiedet: Der Vater soll allein illegal in die Tschechoslowakei fliehen. Die Mutter fährt mit den Kindern zurück nach Nürnberg. 

Ostermontag: Eva winkt dem Vater vom Bahnsteig aus zum Abschied zu. Was sie nicht weiß: Sie sieht ihn gerade zum letzten Mal. 

Etwas später am selben Tag in Nürnberg: Die Gestapo verhaftet Margarete vor den Augen ihrer Kinder. Wenn sie den Aufenthaltsort ihres Mannes verrät, kommt sie frei. Sie weigert sich. 

1934

Eva lebt nun schon seit einem ganzen Jahr mit ihrem kleinen Bruder bei den mütterlichen Großeltern. Weil sie einen jüdischen Vater hat, darf sie später nicht auf eine weiterführende Schule gehen. Im Juli willigt Margarete in die Scheidung ein. Sie will zurück zu ihren Kindern. Sie muss versichern, dass sie Walter nie wieder sieht und nicht mehr politisch tätig ist. Nach eineinhalb Jahren Haft kommt sie endlich frei. 

Walter kämpft von der Tschechoslowakei aus im antifaschistischen Widerstand. Sein Deckname ist ‚Schwarzer Max‘. 1939 nehmen die Nazis auch die Tschechoslowakei ein. Walter, schwer an Tuberkulose erkrankt, will sich das Leben nehmen. Er überlebt und flüchtet über Polen nach England. Dort stirbt er 1942 im Exil. 

Eva bleibt in Nürnberg. Sie macht eine Ausbildung zur Drogistin und Familienfürsorgerin und arbeitet in beiden Berufen. 1952 heiratet sie und bekommt ihre erste Tochter. Sie nennt sie Ursula. Ein Leben lang engagiert sich Eva politisch, kämpft gegen Neonazis und für Frauenrechte. Ab den 1990er-Jahren berichtet sie als Zeitzeugin und nimmt an vielen Projekten teil. 2020 stirbt sie mit 93 Jahren in Nürnberg.

© Sigrid Dittrich

Eva Weyl

Ohne es zu wissen, rettet Eva Diamanten vor den Nazis.

Mit ihren Eltern wird Eva ins Lager Westerbork deportiert. Heimlich näht die Mutter Diamanten in Evas Mantelknöpfe. Niemand entdeckt sie. Später lässt die Mutter daraus einen Ring anfertigen. Eva trägt ihn jeden Tag.

Evas Eltern sind Deutsche und jüdisch. Als Hitler 1933 an die Macht kommt, verlassen sie ihre Heimat. Sie fliehen in die Niederlande, in die Nähe der Grenze. Man dachte, es wird so lange nicht dauern, Hitler hält das nie durch und er verliert natürlich.

Januar 1942. Eva ist 6. Wir ziehen um!, sagen die Eltern. Doch das stimmt nicht. Sie werden ins Lager Westerbork deportiert. Der Winter ist eisig kalt. Mitnehmen darf man nur, was man tragen kann. Evas Puppe kommt mit. Sie fahren los, doch plötzlich hält der Zug. Die letzten 5 km müssen sie laufen. Ab jetzt weiß Eva Hier stimmt was nicht. Sie bekommt Angst. Heute weiß Eva: Westerbork war das Tor zur Hölle. Als Eva das Lager mit ihren Eltern verlassen kann, ist sie 10 Jahre alt.

Nach dem Krieg sind wir wieder da!

Eva Weyl
  • Eva erzählt Dir hier die Geschichte vom Ring.

Gedenkstätte Zwangsarbeit Leipzig

Die Hugo Schneider AG (HASAG) ist während des Zweiten Weltkriegs Sachsens größter Waffenhersteller. Sie profitiert sehr von der NS-Zwangsarbeit. Ihr Hauptsitz befindet sich in Leipzig. 2001 wird hier die Gedenkstätte gemeinsam mit ehemaligen Zwangsarbeiter:innen eröffnet.

Tausende ausländische zivile Zwangsarbeiter:innen, Kriegsgefangene und KZ-Gefangene mussten für die HASAG Zwangsarbeit leisten. Danuta Brzosko-Mędryk war eine von ihnen. Eine Dauerausstellung erinnert an die Verbrechen. Angehörige ehemaliger Zwangsarbeiter:innen können bei der Gedenkstätte Informationen zum Schicksal ihrer Verwandten anfragen. 

Die Gedenkstätte arbeitet mit Ehrenamtlichen und Initiativen zusammen und initiiert Projekte mit Studierenden und Schüler:innen. Die Gedenkstätte bietet in Leipzig Rundgänge zu NS-Zwangsarbeit an. Hier kommst Du zu einer digitalen Karte, in der über 800 Orte zum Thema NS-Zwangsarbeit in und um Leipzig verzeichnet sind.

Die Gedenkstätte ist derzeit die einzige Einrichtung in Leipzig und Sachsen, die sich explizit mit der Erinnerung und Aufarbeitung des Verbrechens ‚NS-Zwangsarbeit‘ befasst.

  • Du möchtest mehr über die Arbeit der Gedenkstätte erfahren oder Dich ehrenamtlich engagieren? Dann setze Dich mit der Gedenkstätte in Verbindung.

Danuta Brzosko-Medryk

Die Gedenkstätte ist derzeit die einzige Einrichtung in Leipzig und Sachsen, die sich explizit mit der Erinnerung und Aufarbeitung des Verbrechens ‚NS-Zwangsarbeit‘ befasst.

Warschau, im Sommer 1942. Danuta wird erneut von der Gestapo verhaftet. 1940 passierte es zum ersten Mal während der Abiturprüfung – wegen illegalem Schulbesuch. Die Nazis verbieten es Pol:innen, die Schule zu besuchen.

Sie wird ins KZ Majdanek deportiert, dann ins KZ Ravensbrück. Im Juni 1944 kommt sie ins Frauen-Außenlager „Hasag Leipzig“. Mehr als 5.000 Frauen sind im Fabrikgebäude und in Baracken in der heutigen Kamenzer Straße untergebracht. In 12-Stunden-Schichten bauen sie Munition und Panzerfäuste zusammen. Doch sie haben einen Plan: Sabotage! Sie schütten Späne in die Maschinen! 

Danuta schreibt Gedichte und Lieder. Sie organisiert Theateraufführungen und stärkt die Solidarität und das Durchhaltevermögen der Gefangenen durch Kultur. Nach ihrer Befreiung im April 1945 kehrt Danuta nach Polen zurück. Sie wird Zahnärztin und Autorin. Als Zeugin sagt sie in mehreren Prozessen gegen NS-Verbrecher:innen aus. 1989 erhält sie den Aachener Friedenspreis.

Schreibfeder von Danuta Brzosko-Mędryk. Im Lager „Hasag Leipzig“ tauscht Danuta ein Stück Brot gegen die Feder ein. Heimlich schreibt sie damit Theaterstücke. © Gunter Binsack

Diese Aufführungen machten es uns möglich, uns von der Wirklichkeit loszureißen.

Danuta Brzosko-Mędryk in ihrer Rede zum 51. Jahrestag der Befreiung Buchenwalds im April 1996.

Estera erklärt