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Emanuel Meshvinski

Emanuel und das Jewish Chamber Orchestra Hamburg spielen Musik von vergessenen Komponist:innen.

Emanuel spielt Bratsche und studiert Komposition. Mit seinen Eltern gründet er 2018 das Jewish Chamber Orchestra Hamburg. Sie spielen Musik von Komponist:innen, die im NS verfolgt wurden. Ihr Vorbild ist das von Edvard Moritz 1934 aus der Not heraus gegründete Jüdische Kammerorchester Hamburg.

Am Anfang von jedem Konzert erzählt Emanuel vom Leben eines jüdischen Komponisten oder einer jüdischen Komponistin. Bis heute werden ihre Stücke in Deutschland kaum gespielt. Emanuel will das ändern. Er bringt sie wieder zurück auf die Bühne und in unsere Ohren. 

Manchmal fragt sich Emanuel: Welche Musik wäre noch komponiert worden, wenn die Musiker:innen nicht verfolgt, nicht vertrieben, nicht umgebracht worden wären? So viele Geschichten wurden beendet, bevor sie eigentlich richtig angefangen haben. So wie die Geschichte vom Komponisten Viktor Ullmann.

  • In den beiden Videos unten erfährst Du mehr über Emanuel und das Jewish Chamber Orchestra Hamburg.
  • Du kannst Emanuel und das Jewish Chamber Orchestra Hamburg auch live erleben. Schau auf ihrem Insta-Kanal @jcohamburg nach, wann das nächste Konzert stattfindet!
  • Für Klaras gerettetes Lied hat Emanuel eine Melodie komponiert. Hör Dir Klaras und Emanuels Lied hier an!
Das Jüdische Kammerorchester unter der Leitung von Edvard Moritz, Berlin Oktober/November 1936 © Jüdisches Museum Berlin
© Emanuel Meshvinski

„Ich finde, dass diese Komponisten zu Unrecht in Vergessenheit geraten sind und dass sie es auf jeden Fall verdienen, wieder gespielt und gehört zu werden.“

Emanuel Meshvinski
Edvard Moritz © LABO Berlin

Edvard Moritz

Edvard Moritz (1891-1974) ist Hamburger. Er ist Komponist, Violinist und Dirigent.

Es ist 1934. Nach der Machtübertragung an Hitler werden ab 1933 die Arbeitsmöglichkeiten für jüdische Musiker:innen immer schwieriger. Edvard Moritz gründet das Jüdische Kammerorchester Hamburg. Das Orchester gibt 1934/35 4 Konzerte. Die Ausgrenzung und Verfolgung jüdischer Mitbürger:innen wird immer unerträglicher. Das Orchester muss sich auflösen.

1937 gelingt Edvard Moritz die Flucht in die USA. Im September erreicht er New York. Kurz darauf gründet er das Edvard Moritz Chamber Orchestra. Das erste Konzert findet 1938 in der New Yorker Town Hall statt. Edvard bleibt bis an sein Lebensende 1974 in New York und arbeitet als Musiker, Dirigent und Musiklehrer.

„Also für mich ist Edvard Moritz definitiv ein Kulturretter.“

Emanuel Meshvinski
Viktor Ullmann © CCO 1.0

Viktor Ullmann

Viktor Ullmann (1898-1944) studiert Komposition beim berühmten Komponisten für atonale Musik, Arnold Schönberg.

Viktor ist Komponist, Pianist und Dirigent. Seine Musik ist etwas ganz Neues. Sie erzeugt eine enorme Spannung!

Weil Viktor jüdisch ist, wird er 1942 in das KZ Theresienstadt deportiert. Auch in Gefangenschaft und unter widrigsten Umständen komponiert er weiter. Es entsteht unter anderem das 3. Streichquartett (1944). Viktor wird am 16.10.1944 ins KZ Auschwitz-Birkenau deportiert. 2 Tage später wird er in der Gaskammer ermordet.

„Jemand sagte mal zu mir: Vielleicht wäre Viktor Ullmann der Erste, der elektronische Musik gemacht hätte.“

Emanuel Meshvinski
  • Höre Dir hier Viktors 3. Streichquartett an. Die Musik wird gespielt von Emanuel und dem Jewish Chamber Orchestra Hamburg.

Klara Gorlatschowa

Klara überlebt das KZ Petschora. Und sie rettet ein Lied aus dem KZ.

Kurz vor Klaras 3. Geburtstag im Juni 1941 greift die Wehrmacht die Sowjetunion an. Die Familie flüchtet, doch 1942 wird sie mit ihren Eltern und ihrer Großmutter in das KZ Petschora deportiert.

Ohne Essen und Trinken stirbt die Großmutter nach kurzer Zeit. Klara überlebt ein menschenverachtendes „medizinisches“ Experiment. Der Vater will Rüben von einem Acker holen. Ein Wachmann erschlägt ihn. Wer versucht, aus dem Fluss zu trinken, wird erschossen. Klaras Mutter entschließt sich für die Flucht. Sie wirft Klara über den 2 Meter hohen Zaun und klettert hinterher. 

Nach 50 km zu Fuß und einer Gefangenschaft im Dorfgetto werden sie im Frühjahr 1944 von der Roten Armee befreit. Klara bleibt der Text eines Liedes in Erinnerung. Doch an die Melodie erinnert sie sich nicht. Eine Mitgefangene sang es immer wieder. KZ-Häftlinge haben es verfasst. Klara wird Krankenschwester und später Laborantin. Bis heute setzt sie sich für das Erinnern ein und beteiligt sich an Gedenkveranstaltungen.

„Ihr werdet nicht so viele Kerzen finden, als dass man aller gedenken kann.“

  • Emanuel hat eine Melodie für das gerettete Lied von Klara geschrieben. Klara liest uns das Lied auf Russisch vor. Höre Dir das Lied hier an!

Klaras Lied ohne Melodie

Ich werde euch nun das neue Lied vorsingen, ihr Juden,
über das Lager Petschora, in dem wir uns befinden.
Ich singe es für alle Menschen, weil wir Plebejer sind.
Unser ganzes Leid kann man nicht in Worte fassen.
Wie Vieh trieben sie uns von überall her.

Hier stand einst ein Sanatorium.
Ihr werdet nicht so viele Kerzen finden,
als dass man aller gedenken kann, die Hitler ermordet hat.
Sie misshandeln uns, wie sie nur können,
Smetanskie* und andere Henker.
Beten und Weinen hilft nicht mehr.
Das ist dein Schicksal, Jude: Halte durch und schweige.
Wir haben vor dem Krieg gar nicht so schlecht gelebt.
Wir hatten Brot und wir hatten festen Boden unter den Füßen.
Jetzt gibt es für uns kein vor und kein zurück.
Nur der Tod lungert um uns herum.
Ich habe euch nun das neue Lied vorgesungen, ihr Juden.
Niemand wird uns helfen, niemand wird uns retten.

Ich bitte euch nur um eines:
Das wenigstens einer von uns die Wahrheit in die Welt trägt.

* Vermutlich bezieht sich der Name Smetanskie auf einen besonders sadistischen Aufseher im Lager.
Übersetzt aus dem Russischen im Auftrag des Instituts für sozialwissenschaftliche Forschung, Bildung und Beratung e. V.

Hilfsnetzwerk

Das Hilfsnetzwerk wurde mit Beginn des vollumfänglichen Angriffskrieges Russlands gegen die Ukraine im März 2022 ins Leben gerufen. Es unterstützt Überlebende der NS-Verfolgung, ihre Angehörigen und durch den Angriffskrieg betroffene Helfer:innen.

Durch Patenschaften unterstützt das Hilfsnetzwerk die Überlebenden mit finanzieller Hilfe. Isabella Jelnikowa ist Teil dieses Programms. Sie wird über Spenden monatlich mit 40 Euro unterstützt. Das Hilfsnetzwerk organisiert aber auch Sammelaktionen für Hilfspakete und hilft geflüchteten Überlebenden und deren Angehörigen in Deutschland.

Vor Ort in der Ukraine arbeitet das Hilfsnetzwerk mit Helfer:innen wie Olena zusammen. Die Helfer:innen sind nun selbst vom Krieg betroffen. Trotzdem kümmern sie sich weiter um die Überlebenden der NS-Verfolgung. Sie leisten nicht nur praktische, sondern auch emotionale Hilfe.

  • Unterstütze das Hilfsnetzwerk und informiere Dich z. B. hier über das Patenschaftsprogramm.

Olena Vypryzka

Seit 2004 hilft Olena Überlebenden der NS-Verfolgung in Dnipro.

Olena lebt in Dnipro in der Ukraine. Seit 2004 hilft sie Überlebenden der NS-Verfolgung in ihrer Stadt. Sie besucht ältere Menschen, hilft ihnen im Haushalt, geht für sie einkaufen, besorgt Medikamente. Aber am wichtigsten: Sie spricht mit ihnen und hört ihnen zu!

Olena kümmert sich innerhalb einer Woche um knapp 6-10 Personen. Diese Menschen sind häufig alleine und haben keine Verwandten mehr. Olena ist für sie wie ein Enkelkind. Sie erzählen ihr von ihren Träumen und ihren Wünschen. Und davon, was sie als Kinder erlebt haben.

So wie Isabella Jelnikowa. 1943 ist Isabella 16 Jahre alt und muss mit anderen Jugendlichen in einen Viehwaggon steigen. Sie kommt nach Dresden. ‘Hier begann man uns wie Vieh zu verkaufen’, sagt Isabella. Sie müssen Zwangsarbeit leisten. Eine deutsche Frau ‘kauft’ Isabella als Haushaltshilfe. Jeden Tag arbeitet sie von 4:30-23 Uhr. Sie wird schikaniert und in den Keller gesperrt. Isabella überlebt und kehrt in ihre Heimat zurück.

„Nur 1 von 10 Kindern überlebte die Zwangsarbeit in Deutschland. Doch die Zurückkehrenden wurden in der Sowjetunion als Verräter:innen betrachtet und werden noch heute benachteiligt.“

Olena Vypryzka
Isabellas Verpflichtungsbescheid zur Zwangsarbeit.

Estera erklärt